Neben dem UWB-Ranging zur Signallaufzeitmessung zwischen zwei UWB-Knoten, kann die UWB-Technologie auch als (Pulsdoppler-) Radar eingesetzt werden. In diesem Szenario sendet ein UWB-Knoten einen UWB-Impuls aus und empfängt dessen Reflexionen aus dem umgebenden Raum. Das Ergebnis ist ein komplexes Muster, das die Reflexionen verschiedener Reflektoren überlagert. Über den Dopplereffekt lassen sich dabei kleinste Bewegungen von Objekten auflösen.
Durch die hohe Auflösungsgenauigkeit ist UWB in der Lage Kleinstbewegungen von Lebewesen zu erkennen. Dazu zählen vor allem die Bewegung des Brustkorbs beim Atmen (vgl. Abbildung) sowie die Bewegung des Herzmuskels. Letztere lässt sich allerdings vor allem unter Laborbedingungen messen, da im praktischen Use Case die Bewegung des Herzschlangs von vielen anderen Bewegungen (bspw. Amtung und sonstige Körperbewegungen) überlagert ist und somit im Sensorsignal untergeht. Es ergeben sich zahlreiche Use Cases.
Automotive – Use Cases für In-Cabin Monitoring
Embedded AI ist führend in der Herstellung von Algorithmen zur Erkennung von Vitalparametern im Automotive-Umfeld unter Verwendung von UWB-Radar. Dabei existieren bei der Innenraumüberwachung verschiedene Ansätze zur Platzierung der UWB-Anker. Außere UWB-Knoten: links im Bild – etablierte Variante; rechts im Bild – Forschungsgegenstand: äußere UWB-Knoten rutschen in die Seitentüren, um sowohl den Außenbereich, als auch die Überwachung des Innenbereichs zu unterstützen. In beiden Varianten werden zusätzlich zwei UWB-Knoten im Dachhimmel platziert.
Die Erkennungs-Algorithmen arbeiten verteilt. Im UWB-Knoten selbst werden Algorithmen berechnet, die ein einzelner UWB-Knoten ausführen kann, das sind insbesondere Algorithmen der Signalverarbeitung und die Extraktion von Features, in einigen Fällen auch bereits AI-Algorithmen zur Erkennung von Ereignissen im Signal. Bestimmte Features werden an das Steuergerät gesendet (ECU). Die ECU fusioniert die Zwischenergebnisse der Einzel-Knoten und kann so Algorithmen für eine räumlichen Erkennung ausführen.
Use Case: Vitalerkennung Atmung, Respiration
Embedded AI besitzt mehrere Ansätze für die Ermittelung von Vitalparametern aus Atmungsüberwachungsszenarien und ist damit führend in der Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet.
Use Case: CPD – Child Presence Detection
Das Problem – Hitzetod
Schon nach kurzer Zeit können bspw. in den Sommermonaten im verschlossenen Automobil die Temperaturen lebensbedrohlich ansteigen, insbesondere für Babys und Tiere. Die kritische Temperatur von 42°C im Wageninneren wird bei einer Außentemperatur von 26°C bereits nach 30 Minuten und bei einer Außentemperatur von 35°C sogar schon nach 10 Minuten erreicht. Laut aktueller Statistik (und Hochrechnung) sterben weltweit jährlich ca. 800 Kinder an einem Hitzschlag, weil sie an einem heißen Tag in einem verschlossenen Auto zurückgelassen werden (Dunkelziffer für Tiere).
Das Thema ist so relevant, dass die europäische Gesellschaft EURO-NCAP zur Bewertung der Sicherheit von Fahrzeugen als Kriterium ab 2023 sowohl die Innenraumüberwachung als auch die Fahrerüberwachung als Kriterium zur Bewertung der Fahrgastsicherheit einführt. In den USA wird diesen Technologien sogar ein noch größerer Wert beigemessen. Eine Gesetzesvorlage zum sogenannten “Hot Car Act” ist 2021 erfolgreich durch den Kongress verabschiedet worden.
Die Lösung – UWB-Radar
Die UWB-Technologie ist in der Lage die Vitalzeichen von Lebewesen zu erkennen und diese auch im Fahrzeug zu orten. UWB hat einen Vorteil gegenüber optischen Verfahren oder auch gegenüber dem herkömmlichen FMCW-Radar, da die UWB-Signale durch die größeren Wellenlängen auch Materialien wie Kleidung und Decken problemlos durchbringen und somit die Bewegung des Lebewesens sensieren können. Die Vitalparameter werden im UWB-Radar-Signal durch KI-basierte Erkennungsalgorithmen detektiert, die ressourcenarm in Echtzeit auf dem Mikrocontroller der UWB-Sensorelektronik laufen.
Die Child Presence Detection (CPD) ist zweifelsohne der größte Motivator, um die Investitionen für das UWB-System einzugehen. In den folgenden Abschnitten werden weitere Funktionalitäten aufgezeigt, die mit der einmal etablierten UWB-Technologie zusätzlich zu erreichen sind.
Use Case: Vitalüberwachung während der Fahrt
In-Cabin Monitoring
Das System kann zusätzlich dafür sorgen, dass Vitalparameter von Insassen und Tieren während der Fahrt überwacht werden. Der Fahrer wird gewarnt, wenn Vitalparameter der Insassen gefährliche Werte erreichen.
Alarmierung Rettungskräfte
Treten gefährliche Werte bei Vitalparameteren beim Fahrer aus, können direkt Rettungskräfte alarmiert werden.
Vitalinformation bei Unfall
Bei einem Unfall können Daten automatisch an die Rettungskräfte übermittelt werden, um diesen wertvolle Zeit bei der Lebensrettung zu sparen (Wer hat wo gesessen und bis wann geatmet, Auffälligkeiten der Vitalparameter einzelner Personen, z.B. unregelmäßiger Herzschlag, flache, schnelle oder ausbleibende Atmung).
Vitalüberwachung des passiven Fahrers
Für autonomes Fahren bis Level 3 muss eine Person mit Führerschein das Auto kontrollieren bzw. im Notfall eingreifen. Bei langen, eintönigen Fahrten, stellt sich schnell Müdigkeit beim nur zuschauenden Fahrer ein – eine latente Gefahr. Für diese Stufe des autonomen Fahrens stellt das UWB-System durch die Erkennung von Müdigkeit, Schlafen, atypische Situationen (bspw. Herzinfarkt) oder Atemstillstand eine Unterstützung bei der Überwachung des (passiven) Fahrers bereit.
Use Case: Sitzplatzerkennung und Gurtwarner
Fusioniert man die Ergebnisse einzelner Radarmessungen im ECU so entstehen weitere algorithmische Möglichkeiten. Die Abbildung zeigt jeweils die Featurematrix einer Einzelmessung der 6 UWB-Radar-Knoten.
Embedded AI besitzt algorithmische Verfahren, um daraus eine räumliche Auflösung von Vitalereignissen im Fahrzeug zu erkennen. So ist es u. a. möglich die Sitzposition von Insassen zu bestimmen und sie ggf. zu klassifizieren (Erwachsener, Kind, Tier).
Dies bietet nicht nur Einsparpotenzial für den herkömmlichen Gurtwarnsensor sondern reduziert auch Fehlauslösungen durch bspw. zu schwere Handtaschen auf dem Beifahrersitz.
Use Case: Intrusion Detection
Zusätzliches Einsparpotenzial für die Systemkosten des Fahrzeug ergibt sich durch die Nutzung der UWB-Anlage, wenn das In-Cabin Monitoring auch im geparkten Zustand mit verriegeltem Fahrzeug durchgeführt wird. Die UWB-Anlage ist über die Vitalerkennung in der Lage, Einbrüche zuverlässig zu erkennen. Die Kosten für herkömmliche Sensorsysteme der Alarmanlage können somit entfallen.
Im Unterschied zum In-Cabin Monitoring während der Fahrt wird der Modus “Alarmanlage” mit einer deutlich geringeren Frequenz an Messzyklen gefahren, um die Ruhestrombelastung so gering wie möglich zu halten. Das ist für diesen Use Case ausreichend, um eine sichere Erkennung durchzuführen.
UWB Radar – Gestenerkennung
UWB Radar erzeugt Signal-Muster von Bewegungen von Lebewesen im Raum. AI-Algorithmen können aus diesen Mustern menschliche Bewegungen klassifizieren. Ein Einsatzzweck ist Erkennung von menschlichen Gesten zur Bedienung von Technik.
Im Folgenden werden zwei Use Cases im Automobil dargestellt. Andere Einsatzszenarien sind bspw. die berührungslose (Hands-free) Bedienung von Terminals, Geräten oder Funktionspunkten im öffentlichen Raum (Infektionsschutz), im Medizinumfeld (Desinfektion in geringeren Abständen) oder in verschmutzten Umgebungen (bspw. Touchscreens auf einer Baustelle wird geschont).
Use Case: Komfortfunktionen durch Handgeste
UWB ermöglicht auch die Erkennung von einfachen Handbewegungsgesten, wie zum Beispiel einer Wischbewegung. Dadurch lassen sich verschiedene Komfortfunktionen realisieren.
So können bspw. wie im Video zu sehen die Fenster eines Fahrzeugs oder dessen Heckklappe von außen geöffnet werden, ohne dass dafür eine Bedienung über den Fahrzeugschlüssel oder eine entsprechende Betätigung am Fahrzeug erfolgen muss.